Die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) wurde erstmals im Jahr 1986 erlassen. Als wichtiger Bestandteil des deutschen Arbeitsschutzes, wurde sie seitdem mehrfach überarbeitet. Mit der jüngsten Neufassung, die am 5. Dezember 2024 in Kraft trat, sollen Beschäftigte noch besser geschützt und die Sicherheit am Arbeitsplatz weiter erhöht werden.
In diesem Beitrag von Arbeitssicherheit-Fachkraft werden die wichtigsten Neuerungen der Gefahrstoffverordnung 2024 beleuchtet, wie etwa der Umgang mit Asbest sowie die Umsetzung des EU-Chemikalienrechts. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem sogenannten Ampel-Prinzip für krebserregende Stoffe, das nun eine klare Orientierung unter anderem für Arbeitgeber, Gefahrstoffbeauftragte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit bietet.
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Die wichtigsten Änderungen der Gefahrstoffverordnung 2024 im Überblick
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Die rechtlichen Grundlagen der Gefahrstoffverordnung
Die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) basiert auf dem Chemikaliengesetz (ChemG) und dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Das Ziel der GefStoffV ist es, Menschen und Umwelt vor gefährlichen Stoffen zu schützen. Vor diesem Hintergrund regelt sie die Einstufung und Kennzeichnung sowie den Umgang mit Gefahrstoffen, um daraus die richtigen Schutzmaßnahmen abzuleiten.
Wie eingangs erwähnt wurde die Gefahrstoffverordnung zuletzt im Dezember 2024 novelliert, um den aktuellen Anforderungen des Arbeitsschutzes, der geänderten EU-Krebsrichtlinie und des EU-Chemikalienrechts, das in der REACH Verordnung geregelt wird, gerecht zu werden.
- Chemikaliengesetz (ChemG): Dieses bildet die Ermächtigungsgrundlage für die Gefahrstoffverordnung. Es regelt die Einstufung, Kennzeichnung und den sicheren Umgang mit chemischen Stoffen und Gemischen. Ziel ist es, schädliche Einwirkungen auf Mensch und Umwelt zu verhindern (§ 1 ChemG „Zweck des Gesetzes“). Die Verordnung setzt dabei auch europäische Vorgaben wie die Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP-Verordnung) um.
- Arbeitsschutzgesetz: Dieses ist seit 2005 eine weitere Säule der Gefahrstoffverordnung, indem es die Verordnung im deutschen Arbeitsschutz verankert und Arbeitgeber verpflichtet, mithilfe einer Gefährdungsbeurteilung, Risiken am Arbeitsplatz systematisch zu beurteilen (§ 5 ArbSchG „Beurteilung der Arbeitsbedingungen“). Die Gefahrstoffverordnung konkretisiert diese Anforderungen für den Umgang mit Gefahrstoffen und schreibt Maßnahmen wie die Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen und die Umsetzung technischer, organisatorischer und persönlicher Schutzmaßnahmen vor (§ 6 GefStoffV „Informationsermittlung und Gefährdungsbeurteilung“). Im Zuge der Novellierung der Gefahrstoffverordnung müssen nun in der Gefährdungsbeurteilung auch psychische Belastungen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen berücksichtigt werden (psychische Gefährdungsbeurteilung).
- EU-Chemikalienrecht:
Die neue Gefahrstoffverordnung setzt europäische Richtlinien wie die Richtlinie 2004/37/EG um, die den Schutz von Beschäftigten vor Karzinogenen und Mutagenen am Arbeitsplatz regelt. Neu eingeführt wurden verbindliche Arbeitsplatzgrenzwerte der EU-Kommission (BOELV – Binding Occupational Exposure Limit Value) für krebserzeugende Stoffe, die in § 10 GefStoffV verankert sind („Besondere Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden, keimzellmutagenen oder reproduktionstoxischen Gefahrstoffen der Kategorie 1A oder 1B“). Zudem berücksichtigt die GefStoffV Gefährdungen durch Asbest am Arbeitsplatz und schreibt spezifische Maßnahmen zur Minimierung der Asbestbelastung sowie zur sicheren Handhabung und Entsorgung asbesthaltiger Materialien vor.
Das Ampel-Prinzip in der Gefahrstoffverordnung 2024
Mit der Neufassung der Gefahrstoffverordnung 2024 wird das Ampel-Modell für den Umgang mit krebserregenden Stoffen am Arbeitsplatz erstmals rechtlich bindend. Dieses Konzept, das bereits in der Technischen Regel für Gefahrstoffe 910 (TRGS 910 „Risikobezogenes Maßnahmenkonzept für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen“) verankert war, verpflichtet nun zu einer umfassenden Risikobewertung bei Arbeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen.
| 💡Beim Ampel-Prinzip (Expositions-Risiko-Konzept) der neuen Gefahrstoffverordnung gilt: Je höher der Risikobereich, desto umfangreicher müssen die erforderlichen Schutzmaßnahmen ausfallen. |
Ziel dabei ist es, die Gefährdung der Beschäftigten realistisch einzuschätzen und wirksame Präventionsmaßnahmen gegen arbeitsbedingte Krebserkrankungen umzusetzen.
Das Ampel-Modell für eine sichere Risikobewertung
Beim Ampel-Prinzip werden die Belastungen durch Gefahrstoffe zuerst in die drei Risikostufen Grün, Gelb und Rot eingeteilt. Danach wird festgelegt, welche Schutzmaßnahmen erforderlich sind, um die Exposition der Beschäftigten so weit zu reduzieren, dass Tätigkeiten möglichst im niedrigen Risikobereich ausgeführt werden können.
🟢 Grün: Niedriges Risiko
Bei geringer Belastung sind nur grundlegende Maßnahmen erforderlich, um die Sicherheit zu gewährleisten, wie beispielsweise:
- Substitutionsprüfungen, um weniger gefährliche Stoffe oder Verfahren einzusetzen
- Räumliche Abgrenzung der Arbeitsbereiche
- Regelmäßige Kontrolle, um sicherzustellen, dass sich die Belastung nicht verschlechtert
- Führung eines Expositionsverzeichnisses bei gesundheitlicher Gefährdung (z. B. bei Unfällen)
- Sicherheitsunterweisung der Beschäftigten
🟡 Gelb: Mittleres Risiko
Bei mittlerer Belastung sind zusätzliche Maßnahmen notwendig, um die Exposition zu reduzieren:
- Substitutionsprüfungen und räumliche Abgrenzung
- Verkürzung der Expositionsdauer
- Bereitstellung von Atemschutz und persönlicher Schutzausrüstung (PSA) bei Belastungsspitzen
- Erstellung eines Maßnahmenplans
- Führung eines Expositionsverzeichnisses
- Regelmäßige Unterweisung der Mitarbeitenden
🔴 Rot: Hohes Risiko
Bei hoher Belastung sind strenge Schutzmaßnahmen erforderlich, um die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen. Dazu zählen:
- Substitutionsprüfungen und räumliche Abgrenzung
- Verkürzung der Expositionsdauer und strikte Einhaltung von Vorgaben aus speziellen Technischen Regeln (z. B. TRGS 910)
- Führung eines Expositionsverzeichnisses und Mitteilung an die zuständige Behörde
- Tragen von Atemschutz und persönlicher Schutzausrüstung (PSA)
- Erstellung eines detaillierten Maßnahmenplans
- Umfassende Schulungen der Beschäftigten
(Quelle: Neue Gefahrstoffverordnung: Beschäftigte besser schützen – Arbeit & Gesundheit)
Neue Regelungen für Asbest, Biozide und nationale Besonderheiten
Die Gefahrstoffverordnung 2024 enthält spezifische Regelungen für den Umgang mit Asbest, Biozid-Produkten und weiteren Gefahrstoffen, die den Arbeitsschutz in besonders risikoreichen Bereichen stärken sollen.
Neue Asbestvorgaben und Risikoeinstufung
Asbest bleibt ein zentrales Thema, insbesondere im Baugewerbe bei Abbruchs-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten (sog. ASI-Arbeiten). Unzählige Tonnen asbesthaltiger Baustoffe sind weiterhin in Bestandsgebäuden vorhanden. Das Ampel-Modell teilt Tätigkeiten mit Asbest in drei Risikobereiche ein:
- Grünes Risiko: Belastung unter 10.000 Fasern/m³
- Gelbes Risiko: Belastung unter 100.000 Fasern/m³
- Rotes Risiko: Belastung über 100.000 Fasern/m³
Je nach Einstufung sind spezifische Schutzmaßnahmen erforderlich. Arbeiten mit geringem oder mittlerem Risiko, wie das Schlitzen für Elektroleitungen, sind unter Einhaltung von Schutzmaßnahmen und Fachkunde erlaubt. Tätigkeiten mit hohem Risiko bleiben Fachbetrieben mit Zulassung vorbehalten (§ 11a GefStoffV „Anforderungen an Tätigkeiten mit Asbest“).
Die einstige Erkundungspflicht wurde in der finalen Gefahrstoffverordnung durch eine Mitwirkungs- und Informationspflicht für Auftraggeber ersetzt (§ 5a GefStoffV).
Auftraggeber müssen Unternehmen über mögliche Asbestgehalte informieren, während die tatsächliche Erkundungspflicht bei den ausführenden Betrieben liegt. Diese müssen das Baujahr des Gebäudes berücksichtigen und bei Unsicherheiten Proben entnehmen. Die Kosten dafür trägt der Auftraggeber.
Biozid-Produkte und Begasungen
Ein neues Kapitel (§ 15a GefstoffV bis §15h GefStoffV) regelt den Einsatz von Biozid-Produkten und Begasungen. Die Anforderungen an die Qualifikation der Anwender wurden konkretisiert, und der Umgang mit Bioziden ist nun enger an die EU-Biozid-Verordnung angepasst.
Nationale Besonderheiten
Trotz der Harmonisierung durch EU-Recht enthält die Gefahrstoffverordnung weiterhin nationale Regelungen, etwa bei Herstellungs- und Verwendungsbeschränkungen für bestimmte Gefahrstoffe. Diese Besonderheiten gewährleisten zusätzliche Sicherheit in spezifischen Anwendungsbereichen.
Inwieweit ist das Gefahrstoffverzeichnis von der neuen Gefahrstoffverordnung betroffen?
Die Novellierung der Gefahrstoffverordnung 2024 bringt erhebliche Änderungen für das Gefahrstoffverzeichnis mit sich, da erweiterte Dokumentations- und Nachweispflichten für Arbeitgeber eingeführt wurden.
Neben der verschärften Dokumentation von CMR-Stoffen (oder KMR-Stoffe) müssen nun auch Stoffe mit neuen Gefahrenklassen wie endokrine Disruptoren (ED), PBT-, vPvB- und PMT-Stoffe erfasst werden, die durch die CLP-Verordnung in die EU-Vorgaben aufgenommen wurden. Zusätzlich wurden die Kennzeichnungspflichten erweitert, sodass Gefahrstoffetiketten mehr Warnhinweise, zusätzliche Piktogramme und detailliertere Angaben zu den Gefahren enthalten müssen.
Das Gefahrstoffverzeichnis muss zudem Verweise auf die jeweiligen Sicherheitsdatenblätter enthalten, um eine transparente Darstellung aller relevanten Informationen zu gewährleisten. Unternehmen sind verpflichtet, diese neuen Anforderungen in ihre Gefährdungsbeurteilungen zu integrieren und die entsprechenden Maßnahmen sowohl im Gefahrstoffverzeichnis als auch in den Betriebsanweisungen zu dokumentieren.
Die Führung der Expositionsdaten in der Zentralen Expositionsdatenbank (ZED) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) wurde vereinfacht, da die Zustimmung der Beschäftigten zur Eintragung nicht mehr erforderlich ist. Trotz des erhöhten Verwaltungsaufwands schaffen diese Änderungen mehr Transparenz und verbessern den Schutz der Beschäftigten.
Welche Herausforderungen bringt die Gefahrstoffverordnung für Unternehmen?
Die Neufassung der Gefahrstoffverordnung 2024 stellt Sie als Arbeitgeber vor die Aufgabe, höhere Schutzstandards umzusetzen und Ihre Gefährdungsbeurteilungen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen sowie Arbeitsschutzmaßnahmen umfassend zu aktualisieren.
Besonders das Ampel-Modell, das eine risikobasierte Bewertung der Expositionen ermöglicht, erfordert erhebliche Anpassungen in Ihrem Betrieb. Sie müssen bestehende Prozesse überarbeiten und neue Maßnahmen einführen, um die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen.
Ihre zentralen Pflichten als Arbeitgeber
- Aktualisieren Sie Ihre Gefährdungsbeurteilungen, indem Sie alle Tätigkeiten mit Gefahrstoffen neu bewerten und das Ampel-Modell in die Risikobewertung einbeziehen (gemäß § 6 GefStoffV „Informationsermittlung und Gefährdungsbeurteilung“).
- Führen Sie eine Bestandsaufnahme durch, um zu prüfen, welche Gefahrstoffe in Ihrem Unternehmen verwendet werden und wie hoch die Belastung Ihrer Mitarbeitenden ist.
- Setzen Sie technische Schutzmaßnahmen wie Belüftung, Absaugung und die Bereitstellung der richtigen persönlichen Schutzausrüstung um. Überprüfen Sie bestehende Schutzmaßnahmen auf ihre Wirksamkeit und verbessern Sie diese bei Bedarf.
- Auf Basis Ihrer Gefährdungsbeurteilung müssen Sie Ihren Mitarbeitenden eine schriftliche Betriebsanweisung für Gefahrstoffe zur Verfügung stellen, die die Gefahren und erforderlichen Schutzmaßnahmen klar beschreibt. Zusätzlich sind Sie verpflichtet, Ihre Beschäftigten mündlich zu unterweisen, insbesondere im Umgang mit krebserregenden Stoffen, Asbest und Bioziden. Unterweisungen sind dabei vor Beginn der Arbeit mit Gefahrstoffen verpflichtend (siehe § 14 GefStoffV „Unterrichtung und Unterweisung der Beschäftigten“).
- Erweitern Sie Ihre Expositionsverzeichnisse, indem Sie auch reproduktionstoxische Stoffe der Kategorien 1A und 1B dokumentieren.
- Erstellen Sie Maßnahmenpläne, wenn Arbeitsplatzgrenzwerte überschritten werden, und melden Sie diese der zuständigen Aufsichtsbehörde.
- Kennzeichnen Sie Gefahrstoffe mit erweiterten Sicherheitshinweisen, um Transparenz und Sicherheit zu gewährleisten.
- Stellen Sie sicher, dass bei Tätigkeiten in Bestandsgebäuden alle relevanten Informationen, wie Baujahr und mögliche Schadstoffbelastungen, vorliegen. Dies ist besonders bei Arbeiten mit Asbest wichtig.
- Führen Sie ein internes Audit durch, um Lücken im Gefahrstoffmanagement zu identifizieren und die Einhaltung der neuen Vorgaben sicherzustellen.
Die Umsetzung dieser Maßnahmen kann mit erheblichem Aufwand verbunden sein, bietet jedoch die Möglichkeit, den Arbeitsschutz in Ihrem Unternehmen nachhaltig zu verbessern und die Sicherheit Ihrer Mitarbeitenden langfristig zu gewährleisten.
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