Im betrieblichen Alltag sind der sichere Umgang mit Gefahrstoffen und der Schutz der Beschäftigten zentrale Aufgaben im Rahmen der Arbeitssicherheit. Das Gefahrstoffverzeichnis – auch als Gefahrstoffkataster bekannt – erfasst alle im Betrieb verwendeten, erzeugten oder gelagerten Gefahrstoffe. Es ist nicht nur gesetzlich vorgeschrieben, sondern auch ein wichtiges Dokument, um Gefahren frühzeitig zu erkennen, Risiken zu minimieren und im Ernstfall schnell reagieren zu können. In diesem Beitrag erfahren Sie, warum ein aktuelles Gefahrstoffverzeichnis wichtig ist, welche Angaben es enthalten muss und wie Sie die gesetzlichen Anforderungen effizient umsetzen.
Das Wichtigste in Kürze: Das Gefahrstoffverzeichnis ist in der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV § 6 Abs. 12) gesetzlich vorgeschrieben. Arbeitgeber sind für die Erstellung, Pflege und Aktualität verantwortlich. Die Pflicht gilt für alle Unternehmen und Einrichtungen, in denen Gefahrstoffe verwendet, hergestellt oder gelagert werden. Das Gefahrstoffverzeichnis dient als Grundlage für Gefährdungsbeurteilungen, Betriebsanweisungen, Unterweisungen und für das betriebliche Notfallmanagement sowie für behördliche Prüfungen. Es unterstützt Unternehmen bei der Einhaltung von Arbeitsschutzvorschriften und sorgt für mehr Überblick und Sicherheit im Betrieb. |
Was zählt alles als Gefahrstoff?
Nicht nur klar gekennzeichnete Chemikalien, sondern auch viele andere Stoffe und Gemische können als Gefahrstoffe gelten, wenn sie aufgrund ihrer Eigenschaften eine Gefahr für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz darstellen. Die genaue Einstufung und der Umgang mit Gefahrstoffen müssen daher im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung sorgfältig geprüft werden.
Als Gefahrstoffe gemäß der Technischen Regel für Gefahrstoffe TRGS 400 gelten:
- Vom Hersteller oder Inverkehrbringer als gefährlich eingestufte und gekennzeichnete Stoffe und Zubereitungen. Dazu zählen auch Chemikalien, die keine Gefahrensymbole tragen, aber Gefährlichkeitsmerkmale nach § 4 GefStoffV aufweisen, wie zum Beispiel entzündliche Stoffe.
- Selbst hergestellte Stoffe, Zubereitungen oder Zwischenprodukte, die vom Arbeitgeber gemäß TRGS 200 selbst einzustufen sind.
- Produkte wie Kosmetika, Lebensmittel, Futtermittel, Arzneimittel, Medizinprodukte, Tabakerzeugnisse, Abfälle, Altöle und Abwässer: Auch wenn sie in der Regel nicht als gefährlich gekennzeichnet sind, gelten sie als Gefahrstoffe, wenn sie gefährliche Eigenschaften im Sinne der Gefahrstoffverordnung besitzen. Das gilt ebenso für Bestandteile von Pflanzen und Tieren, wenn sie beispielsweise sensibilisierende Wirkung haben.
- Stoffe mit Arbeitsplatzgrenzwerten (TRGS 900) oder Biologischen Grenzwerten (TRGS 903): Alle Stoffe, für die solche Grenzwerte festgelegt sind, gelten als Gefahrstoffe.
- Nicht als gefährlich eingestufte chemische Arbeitsstoffe, die trotzdem Gefährdungen verursachen können, zum Beispiel durch Hautkontakt (siehe TRGS 401), Bildung explosionsfähiger Atmosphären (z. B. durch brennbare Stäube), tiefkalte oder heiße Flüssigkeiten, Dämpfe und Gase oder erstickende bzw. narkotisierende Gase.
- Stoffe, für die keine oder nur unvollständige toxikologische Prüfungen vorliegen: Sie sind im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung wie Gefahrstoffe zu behandeln, insbesondere wenn Prüfungen zu akuter Toxizität, Haut- oder Schleimhautreizung, erbgutveränderndem Potenzial oder Hautsensibilisierung fehlen.
- Bei Tätigkeiten entstehende oder freigesetzte Gefahrstoffe: Dazu zählen Stäube (auch Rauche), Gase, Dämpfe oder Nebel, die beispielsweise durch Schweißen, Schleifen, Reinigen, Bohren, Sanierungsarbeiten oder Pyrolyseprozesse entstehen.
Weitere wichtige Informationsquellen zur Beurteilung von Gefahrstoffen sind:
- TRGS 905 (Verzeichnis krebserzeugender, keimzellmutagener oder reproduktionstoxischer Stoffe)
- TRGS 906 (Verzeichnis krebserregender Tätigkeiten oder Verfahren) und
- TRGS 907 (Verzeichnis sensibilisierender Stoffe und Tätigkeiten mit sensibilisierenden Stoffen)
(Quelle: TRGS 400 „Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen“)
Wer fordert ein Gefahrstoffverzeichnis?
Ein Gefahrstoffverzeichnis ist in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben. Die zentrale Grundlage dafür bildet der Paragraf 6 der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) :
„Der Arbeitgeber hat ein Verzeichnis der im Betrieb verwendeten Gefahrstoffe zu führen.“
(Quelle: GefStoffV § 6 Absatz 12)
Demnach sind alle Arbeitgeber verpflichtet, ein aktuelles Verzeichnis über sämtliche im Betrieb verwendeten und gelagerten Gefahrstoffe zu führen – unabhängig von der Betriebsgröße.
Diese Pflicht gilt nicht nur für Industrieunternehmen, sondern auch für Behörden, Schulen, Apotheken und andere Einrichtungen, in denen mit Gefahrstoffen gearbeitet wird.
Die Verantwortung für die Erstellung und Pflege des Gefahrstoffverzeichnisses liegt beim Arbeitgeber. Er kann sich dabei von einer Fachkraft für Arbeitssicherheit oder Gefahrstoffbeauftragten unterstützen lassen, bleibt aber letztlich für die Vollständigkeit und Aktualität rechtlich verantwortlich.
Die Mindestangaben im Gefahrstoffverzeichnis nach § 6 GefStoffV Abs. 12:
1. Bezeichnung des Gefahrstoffs
2. Einstufung des Gefahrstoffs oder Angaben zu den gefährlichen Eigenschaften
3. Angaben zu den im Betrieb verwendeten Mengenbereichen
4. Bezeichnung der Arbeitsbereiche, in denen Beschäftigte gegenüber dem Gefahrstoff exponiert sein können und
5. einen Verweis auf die entsprechenden Sicherheitsdatenblätter der Lieferanten
Die Angaben zu Bezeichnung (1.), Einstufung (2.), Arbeitsbereichen (4.) und Sicherheitsdatenblatt (5.) müssen für alle betroffenen Beschäftigten und deren Vertretung zugänglich sein.
(Quelle: GefStoffV § 6 Absatz 12).
Das Gefahrstoffverzeichnis nach TRGS 400
Neben der Gefahrstoffverordnung beschreibt auch die TRGS 400, welche Inhalte ein Gefahrstoffverzeichnis enthalten muss. Das Verzeichnis muss stets aktuell gehalten und für alle betroffenen Beschäftigten sowie deren Vertretung zugänglich sein. Die TRGS 400 empfiehlt, das Verzeichnis nach der betrieblichen Organisationsstruktur zu gliedern und entweder in Papierform und/oder elektronisch zu führen.
Liegt ein Sicherheitsdatenblatt vor, genügt es, die Bezeichnung des Gefahrstoffs und den Aufbewahrungsort des Sicherheitsdatenblatts im Verzeichnis anzugeben. Gibt es kein Sicherheitsdatenblatt, sollten die Bezeichnung und die gefährlichen Eigenschaften der relevanten Inhaltsstoffe, insbesondere bei besonderen Gesundheitsgefahren oder Brand- und Explosionsrisiken, aufgenommen werden.
Da die Mindestangaben gemäß § 6 Abs. 12 der Gefahrstoffverordnung meist nicht für eine vollständige Gefährdungsbeurteilung ausreichen, empfiehlt die TRGS 400 das Gefahrstoffverzeichnis um weitere Informationen zu ergänzen.
Detaillierte Angaben im Gefahrstoffverzeichnis nach TRGS 400:
- Verwendete chemische Arbeitsstoffe
- Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW)
- Betroffene Arbeitsplätze oder Tätigkeiten
- Mengen der verwendeten Gefahrstoffe
- Lagerbedingungen und Lagerorte
- Schutzmaßnahmen und persönliche Schutzausrüstung
- Hinweise zu Entsorgung und Notfallmaßnahmen
Was ist ein Sicherheitsdatenblatt für Gefahrstoffe?
Neben dem Gefahrstoffverzeichnis bilden Sicherheitsdatenblätter (SDB) auch die Grundlage für Gefährdungsbeurteilungen und Betriebsanweisungen. Konkret handelt es dabei um standardisierte Dokumente, die umfassende Informationen über Gefahrstoffe, chemische Stoffe und Gemische enthalten. Sie geben wichtige Hinweise zu Gefahren, Handhabung, Lagerung, Transport, Entsorgung und Schutzmaßnahmen eines Produkts. Ziel ist es, den sicheren Umgang mit Gefahrstoffen am Arbeitsplatz zu gewährleisten und den Arbeits- sowie Umweltschutz zu unterstützen.
Die Anforderungen an Sicherheitsdatenblätter sind in der REACH-Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 geregelt, insbesondere in Artikel 31 sowie im Anhang II, der als Leitfaden für die Erstellung des Sicherheitsdatenblatts dient. Der Anhang II wurde zuletzt durch die Verordnung (EU) 2020/878 angepasst und legt die Gliederung in 16 Abschnitte fest. Dazu gehören unter anderem die Produktidentifikation, Gefahren, Zusammensetzung, Erste-Hilfe-Maßnahmen, Maßnahmen bei unbeabsichtigter Freisetzung, Handhabung und Lagerung, Expositionsbegrenzung, physikalisch-chemische Eigenschaften sowie Entsorgung und Transport.
Für die nationalen Anforderungen und die praktische Umsetzung in Deutschland ist die Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 220 maßgeblich. Sie konkretisiert die Vorgaben der Gefahrstoffverordnung und gibt Hinweise zur Erstellung, zum Inhalt und zur Aktualisierung von Sicherheitsdatenblättern.
Hersteller und Importeure sind verpflichtet, SDBs aktuell zu halten und bei neuen Erkenntnissen oder Änderungen unverzüglich zu aktualisieren.
Wann braucht man kein Gefahrstoffverzeichnis?
Ein Gefahrstoffverzeichnis ist nicht erforderlich, wenn die nachfolgenden vier Bedingungen für eine geringe Gefährdung erfüllt sind:
- Die Eigenschaften des Gefahrstoffs sind nur schwach gefährlich.
- Es werden nur kleine Mengen des Stoffes verwendet.
- Die Belastung der Beschäftigten durch den Stoff ist in Dauer und Intensität gering.
- Die Arbeitsbedingungen insgesamt führen zu keiner höheren Gefährdung.
In Fällen mit geringer Gefährdung reichen die allgemeinen Schutzmaßnahmen aus, und es müssen keine zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen ergriffen oder dokumentiert werden.
Wird in anderen Fällen jedoch auf eine ausführliche Dokumentation verzichtet, muss dies nachvollziehbar begründet werden. Die Gefährdungsbeurteilung für Gefahrstoffe ist regelmäßig zu überprüfen und muss sofort angepasst werden, wenn sich Arbeitsbedingungen ändern, neue Erkenntnisse vorliegen oder arbeitsmedizinische Untersuchungen dies erfordern. Die Gefährdungsbeurteilung darf nur von Fachleuten durchgeführt werden, wie zum Beispiel von einer Fachkraft für Arbeitssicherheit oder einem Betriebsarzt. Fehlt das nötige Wissen im Betrieb, muss der Arbeitgeber externe Expertise hinzuziehen.
(Quelle: § 6 GefStoffV – Einzelnorm)
Wer darf ein Gefahrstoffverzeichnis erstellen?
Sie als Arbeitgeber sind dafür verantwortlich, ein Gefahrstoffverzeichnis für Ihr Unternehmen zu erstellen. Sie können diese Aufgabe aber auch an fachkundige Personen in Ihrem Betrieb delegieren, sofern diese die erforderliche Sachkunde mitbringen. Sie können aber auch Experten außerhalb Ihres Unternehmens beauftragen, wie eine externe Fachkraft für Arbeitssicherheit oder einen Gefahrstoffbeauftragten. Diese verfügen über das notwendige Wissen im Umgang mit Gefahrstoffen und zu den gesetzlichen Vorgaben. Die letztendliche Verantwortung für die Vollständigkeit, Aktualität und Richtigkeit Ihres Gefahrstoffverzeichnisses bleibt aber immer bei Ihnen als Arbeitgeber.
Wer hat Zugang zum Gefahrstoffverzeichnis?
Das Gefahrstoffverzeichnis muss allen Beschäftigten zugänglich sein, die mit Gefahrstoffen arbeiten oder durch deren Verwendung betroffen sein können. Darüber hinaus haben auch Betriebsärzte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit wie wir von Arbeitssicherheit-Fachkraft, der Betriebsrat sowie die zuständigen Aufsichtsbehörden ein Recht auf Einsicht in das Gefahrstoffkataster. So wird sichergestellt, dass alle relevanten Personen jederzeit über die im Betrieb vorhandenen Gefahrstoffe und deren Risiken informiert sind.
Wo sollte das Gefahrstoffverzeichnis aufliegen?
Es sollte zentral und jederzeit einsehbar aufbewahrt werden. In der Praxis empfiehlt es sich, das Verzeichnis sowohl digital als auch als Ausdruck an einem gut zugänglichen Ort im Betrieb bereitzuhalten. Wichtig ist, dass das Verzeichnis im Bedarfsfall sofort verfügbar ist, beispielsweise bei Notfällen, Sicherheitsunterweisungen oder behördlichen Kontrollen.
Wie lange gilt das Gefahrstoffverzeichnis?
Das Gefahrstoffverzeichnis gilt, solange Gefahrstoffe im Betrieb verwendet, gelagert oder entsorgt werden. Es muss laufend aktualisiert werden, sobald sich Änderungen bei den verwendeten Gefahrstoffen, deren Mengen oder Eigenschaften ergeben. Auch nach dem Ausscheiden eines Gefahrstoffs aus dem Betrieb sollte das Verzeichnis aus Gründen der Nachvollziehbarkeit und Dokumentation für einen angemessenen Zeitraum aufbewahrt werden.
Wir unterstützen Unternehmen deutschlandweit beim Gefahrstoffmanagement
Sie haben Fragen zum Gefahrstoffverzeichnis oder benötigen Unterstützung bei der Erstellung und Pflege Ihres Gefahrstoffverzeichnisses oder Ihrer Gefährdungsbeurteilungen? Wir stehen Ihnen kompetent zur Seite – von der Erfassung aller relevanten Gefahrstoffe über die Aktualisierung bis hin zur rechtssicheren Dokumentation.
Darüber hinaus bieten wir Ihnen eine umfassende sicherheitstechnische Betreuung für Ihr Unternehmen und führen auf Wunsch auch die Leiterprüfung nach DGUV Information 208-016 sowie weitere Dienstleistungen durch. Kontaktieren Sie uns gerne für ein kostenloses Beratungsgespräch.