Eine Fehlgeburt ist für Frauen und Paare oft ein tiefgreifender Einschnitt, der mit großem seelischen und körperlichen Schmerz einhergeht. Die Erfahrung, plötzlich die Hoffnung auf ein Kind zu verlieren, hinterlässt häufig Trauer und Leere. Für viele Betroffene ist es kaum vorstellbar, direkt wieder in den Arbeitsalltag zurückzukehren. Mit dem Mutterschutzanpassungsgesetz, dass am 01. Juni 2025 in Deutschland in Kraft getreten ist, wird auf diese besondere Belastung reagiert: Frauen haben nach einer Fehlgeburt nun Anspruch auf Mutterschutz. Zuvor mussten sie für die Erholungszeit Urlaub nehmen oder sich krankschreiben lassen.
Diese gesetzliche Neuregelung erkennt die besondere körperliche und seelische Belastung an, die mit einer Fehlgeburt verbunden ist, und räumt betroffenen Frauen Mutterschutz und angemessene Erholungszeit ein. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie es zu dieser wichtigen Änderung im Mutterschutzrecht gekommen ist und was Arbeitgeber im Rahmen des Mutterschutzes nach einer Fehlgeburt beachten müssen.
Der Weg zum MutterschutzanpassungsgesetzDer Hintergrund zur Anpassung des Mutterschutzgesetzes liegt in einer langen gesellschaftlichen und politischen Debatte über den fehlenden Mutterschutz nach Fehlgeburten. Bislang hatten Frauen in Deutschland nach einer Fehlgeburt vor der 24. Schwangerschaftswoche keinen gesetzlichen Anspruch auf Mutterschutz. Viele Betroffene empfanden diese Lücke als große Belastung, da sie nach dem Verlust ihres Kindes meist nur eine Krankschreibung erhielten und rasch wieder arbeiten mussten. Den Anstoß für die Gesetzesänderung gab eine Petition, die von Natascha Sagorski ins Leben gerufen wurde. Sie selbst hatte 2019 eine Fehlgeburt erlebt und forderte einen gestaffelten Mutterschutz, der sich am Fortschritt der Schwangerschaft orientiert. Die Petition fand breite Unterstützung: Über 75.000 Menschen unterschrieben und der Petitionsausschuss des Bundestages befasste sich mit dem Anliegen. Auch Expertinnen und Experten sowie zahlreiche Politikerinnen und Politiker sprachen sich für eine Reform des Mutterschutzgesetzes aus. |
Was regelt das Mutterschutzgesetz?
Das Mutterschutzgesetz (MuSchG) bietet umfassenden Schutz für Frauen während der Schwangerschaft und nach der Geburt. Die klassischen Mutterschutzfristen beginnen sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin und enden in der Regel acht Wochen nach der Entbindung. Bei Früh- oder Mehrlingsgeburten verlängert sich die Schutzfrist nach der Geburt auf zwölf Wochen. Während dieser Zeit dürfen Arbeitgeber ihre Mitarbeiterinnen nicht beschäftigen.
Bislang galt dieser Schutz jedoch nicht für Frauen, die eine Fehlgeburt erlitten haben. Nach bisheriger Rechtslage wurde eine Fehlgeburt medizinisch dann angenommen, wenn die Schwangerschaft vor der 24. Woche endete oder das Geburtsgewicht des Kindes weniger als 500 Gramm betrug. Nur bei sogenannten Totgeburten – also ab einem Geburtsgewicht von mindestens 500 Gramm oder nach der 24. Schwangerschaftswoche – bestand ein Anspruch auf Mutterschutz.
Mit dem Mutterschutzanpassungsgesetz wurde der Begriff „Entbindung“ im Mutterschutzgesetz erstmals klar definiert. Nun gilt auch eine Fehlgeburt als Entbindung, unabhängig davon, ob ein Kind lebend oder tot geboren wird. Dadurch erhalten Frauen nach einer Fehlgeburt ebenfalls eine Mutterschutzfrist.
Wie häufig sind Fehlgeburten?
Fehlgeburten sind in Deutschland leider keine Seltenheit. Schätzungen zufolge ereignen sich jedes Jahr rund 90.000 Fehlgeburten. Davon entfallen etwa 6.000 auf den Zeitraum zwischen der 13. und 24. Schwangerschaftswoche.
Der überwiegende Teil, rund 84.000 Fehlgeburten, tritt bereits bis zur zwölften Schwangerschaftswoche auf. Für diese Frauen besteht kein gesetzlicher Anspruch auf Mutterschutz. Sie können in diesen Fällen jedoch ärztlich krankgeschrieben werden.
Gestaffelter Mutterschutz nach Fehlgeburt
Die zentrale Forderung: Frauen sollen nach einer Fehlgeburt nicht mehr pauschal ohne Mutterschutz dastehen, sondern je nach Schwangerschaftswoche unterschiedlich lange geschützt werden. Je weiter die Schwangerschaft fortgeschritten war, desto länger soll die Mutterschutzfrist sein. Damit wurde das Prinzip des gestaffelten Mutterschutzes eingeführt. Frauen können nun individuell entscheiden, ob sie das staatliche Schutzangebot in Anspruch nehmen möchten oder vorzeitig an ihren Arbeitsplatz zurückkehren möchten.
Die neuen Schutzfristen nach einer Fehlgeburt
Die Dauer des Mutterschutzes richtet sich dabei nach dem Fortschritt der Schwangerschaft:
- Nach einer Fehlgeburt ab der 13. Schwangerschaftswoche gilt ein Beschäftigungsverbot von zwei Wochen.
- Ab der 17. Schwangerschaftswoche beträgt die Schutzfrist sechs Wochen.
- Ab der 20. Schwangerschaftswoche verlängert sich die Schutzfrist auf acht Wochen.
Die Frau kann ihre Bereitschaft zur Arbeit jederzeit widerrufen. Während dieser Schutzfristen darf der Arbeitgeber die betroffene Frau nicht beschäftigen, es sei denn, sie erklärt sich ausdrücklich dazu bereit. Diese Regelungen sind in § 3 Absatz 5 des Mutterschutzgesetzes festgelegt (§3 Abs. 5 MuSchG).
Mutterschaftsgeld nach Fehlgeburt
Aufgrund des Mutterschutzanpassungsgesetzes haben Frauen nach einer Fehlgeburt ab der 13. Schwangerschaftswoche Anspruch auf Mutterschutz und damit auf Mutterschaftsgeld. Diese Regelung soll betroffenen Frauen eine geschützte Zeit zur körperlichen Erholung und seelischen Verarbeitung ermöglichen (analog zum Mutterschutz nach einer regulären Geburt).
Das Mutterschaftsgeld wird gemäß § 24i SGB V in Verbindung mit § 3 MuSchG für die gesamte Dauer der jeweiligen Schutzfrist sowie für den Tag der Fehlgeburt gezahlt. Für Arbeitnehmerinnen im Arbeitsverhältnis oder in Heimarbeit richtet sich die Höhe des Mutterschaftsgeldes nach dem durchschnittlichen kalendertäglichen Arbeitsentgelt der letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor Beginn der Schutzfrist und beträgt maximal 13 Euro pro Kalendertag.
Liegt das durchschnittliche Arbeitsentgelt darüber, zahlt der Arbeitgeber einen Zuschuss, sodass das Einkommen während des Mutterschutzes in der Regel dem vorherigen Nettogehalt entspricht (§ 20 MuSchG). Für andere Mitglieder, wie zum Beispiel freiwillig Versicherte, wird das Mutterschaftsgeld in Höhe des Krankengeldes gezahlt. Für die Beantragung und Auszahlung ist das Bundesamt für Soziale Sicherung zuständig.
Was müssen Arbeitnehmerinnen nach einer Fehlgeburt tun?
Damit ein Mutterschutz nach einer Fehlgeburt wirksam wird, muss der Arbeitgeber darüber informiert sein. Hat die betroffene Frau den Arbeitgeber vor der Fehlgeburt nicht über die Schwangerschaft informiert, muss sie dies nun nachholen, wenn sie den Mutterschutz in Anspruch nehmen möchte.
Wurde die Schwangerschaft bereits gemeldet, ist es wichtig, auch die Fehlgeburt dem Arbeitgeber mitzuteilen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Mutterschutz zu gewährleisten, kann jedoch einen Nachweis in Form eines ärztlichen Attests verlangen. Dieses Attest sollte die Schwangerschaftswoche und den Tag der Fehlgeburt enthalten, da diese Angaben für die Dauer der Schutzfrist entscheidend sind.
U2-Erstattungsverfahren für Arbeitgeber
Wenn eine Mitarbeiterin nach einer Fehlgeburt Anspruch auf Mutterschutz und Mutterschaftsgeld hat, können Sie als Arbeitgeber die vollen Kosten für das Mutterschaftsgeld sowie den Arbeitgeberzuschuss über das U2-Verfahren erstattet bekommen.
Das U2-Verfahren ist ein gesetzliches Umlageverfahren, an dem alle Arbeitgeber teilnehmen. Sie zahlen eine Umlage an die Krankenkassen und erhalten im Gegenzug sämtliche Aufwendungen, die im Zusammenhang mit Mutterschutzleistungen entstehen, vollständig erstattet. Dazu gehören sowohl der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld während der Mutterschutzfristen als auch das Arbeitsentgelt bei Beschäftigungsverboten.
Für die Erstattung zahlen Arbeitgeber zunächst das Mutterschaftsgeld und den Zuschuss an die Mitarbeiterin aus. Anschließend stellen sie den Erstattungsantrag elektronisch: entweder über das eigene Entgeltabrechnungsprogramm oder über das SV-Meldeportal der Sozialversicherung. Laut Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes vom 5. März 2025 ist bei Mutterschutz nach einer Fehlgeburt im Datenfeld „MUTMASSLICHER ENTBINDUNGSTAG“ der Tag der Fehlgeburt einzutragen. Diese Regelung gilt für alle Fälle ab dem 1. Juni 2025. Ansprechpartner für die Antragstellung ist die zuständige Krankenkasse der Mitarbeiterin oder, bei Minijobbern, die Minijob-Zentrale.
Mehr Schutz und Anerkennung für Frauen nach einer Fehlgeburt
Der gestaffelte Mutterschutz stellt einen bedeutenden Fortschritt dar und würdigt die besondere Belastung, mit der Frauen nach einer Fehlgeburt konfrontiert sind. Die neue Regelung gibt betroffenen Frauen mehr Schutz und Zeit zur Erholung und stärkt ihre Selbstbestimmung in einer schwierigen Lebenssituation. Künftig sollen auch die Bedürfnisse von selbstständigen Frauen noch stärker berücksichtigt werden, damit der Mutterschutz für alle Betroffenen weiter verbessert wird.
Gefährdungsbeurteilung für Schwangere und Frauen im Mutterschutz
Die Gefährdungsbeurteilung Schwangerschaft ist für Arbeitgeber verpflichtend und bildet die Basis für einen wirksamen Schutz für besonders schutzbedürftige Mitarbeiterinnen, auch nach einer Fehlgeburt. Als Arbeitgeber sind Sie verpflichtet, die Arbeitsbedingungen weiterhin mutterschutzgerecht zu gestalten und unverantwortbare Gefährdungen auszuschließen. Werden Risiken festgestellt, sind entsprechende Anpassungen oder ein Beschäftigungsverbot notwendig, um die Gesundheit der betroffenen Frauen zu schützen.
Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit für alle Mitarbeitenden
Der Schutz der Gesundheit und Sicherheit aller Mitarbeitenden steht bei Arbeitssicherheit-Fachkraft im Mittelpunkt, unabhängig von Unternehmensgröße, Branche oder Standort. Unsere Fachkräfte für Arbeitssicherheit begleiten Unternehmen in ganz Deutschland, zum Beispiel in Berlin, Bremen und Köln, mit umfassender Expertise im Arbeits- und Gesundheitsschutz.
Unser Team unterstützt Sie zuverlässig bei allen Fragen rund um Gefährdungsbeurteilungen, Prävention und rechtssichere Umsetzung neuer gesetzlicher Vorgaben wie etwa beim Mutterschutz.
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