Trotz aller Sicherheitsmaßnahmen in einem Betrieb lässt sich ein Arbeitsunfall nie ganz vermeiden. Umso wichtiger ist es, im Ernstfall richtig zu handeln – um Folgeschäden für die Betroffenen zu verhindern und auch, um alle finanziellen und versicherungstechnischen Angelegenheiten korrekt zu regeln. Daher informieren wir Sie in diesem Beitrag über alle wichtigen Aspekte rund um die Sofortmaßnahmen nach einem Arbeitsunfall, wichtige Meldepflichten und Fristen und geben Ihnen auch Tipps an die Hand, wie Sie Unfällen im Betrieb bestmöglich vorbeugen können.
Was ist ein Arbeitsunfall?
Von Arbeitsunfällen spricht man dann, wenn Personen mit einer gesetzlichen Unfallversicherung infolge ihrer versicherten Tätigkeit einen Unfall erleiden. Das bedeutet, dass Unfälle, die während der beruflichen Tätigkeit passieren, als Arbeitsunfälle gelten. Heute sind allerdings nicht nur Arbeitnehmer bei ihrer beruflichen Tätigkeit versichert, sondern auch viele weitere Personengruppen. Dazu gehören zum Beispiel:
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- Schüler und Schülerinnen während ihres Schulbesuchs
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- Kinder in Kindertagesstätten
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- Menschen, die bei einem Verkehrsunfall Erste Hilfe leisten
Diese Regelungen gewährleisten, dass auch Personengruppen, die nicht direkt am Arbeitsleben teilnehmen, im Falle eines Unfalls abgesichert sind.
Quelle: Arbeitssicherheit-Fachkraft.de
Das sind die rechtlichen Grundlagen
Die rechtlichen Grundlagen für Arbeitsunfälle sind in Deutschland klar geregelt. Das Sozialgesetzbuch VII (SGB VII) bildet die Basis für den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz. Es definiert, welche Personen versichert sind, welche Leistungen im Falle eines Arbeitsunfalls erbracht werden und welche Pflichten sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer haben.
Jeder Betrieb ist dazu verpflichtet, seine Mitarbeiter gegen Arbeitsunfälle zu versichern. Diese Versicherung übernimmt nicht nur die Kosten für die medizinische Behandlung, sondern auch mögliche Rehabilitationsmaßnahmen und finanzielle Entschädigungen im Ernstfall.
In diesen Fällen besteht ein gesetzlicher Versicherungsschutz
Der gesetzliche Unfallversicherungsschutz geht in vielen Bereichen über die eigentliche berufliche Tätigkeit hinaus. Auch Aktivitäten, die in Verbindung mit der Arbeit stehen, sind abgedeckt. Beispiele hierfür sind:
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- Die Verwahrung, Beförderung, Instandhaltung oder Erneuerung von Arbeitsgeräten
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- Die Teilnahme an Betriebssport, Betriebsausflügen oder -feiern, sofern diese offiziell vom Unternehmen organisiert werden
- Klassenfahrten und schulische Veranstaltungen, an denen Schülerinnen und Schüler teilnehmen
Wegeunfall: auch der Weg zur Arbeit ist abgesichert
Ein besonderer Fall des Versicherungsschutzes ist der sogenannte Wegeunfall. Dieser tritt ein, wenn sich ein Unfall auf dem direkten Weg zur Arbeit oder nach Hause ereignet. Auch hier greift die gesetzliche Unfallversicherung, solange der Weg in direktem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit steht. Kleine Umwege, etwa um Kinder zur Schule zu bringen oder Fahrgemeinschaften zu bilden, sind in der Regel ebenfalls abgedeckt. Wichtig ist jedoch, dass der Umweg nicht zu weit vom eigentlichen Arbeitsweg abweicht, da sonst der Versicherungsschutz erlöschen kann.
In diesen Fällen besteht kein Versicherungsschutz bei einem Arbeitsunfall
Es gibt jedoch auch Situationen, in denen kein Versicherungsschutz besteht. Wenn eine Verletzung oder gesundheitliche Beeinträchtigung ohne äußere Einwirkung während der versicherten Tätigkeit auftritt, greift der Versicherungsschutz nicht. Beispiele hierfür sind:
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- Ein Beschäftigter verletzt sich während einer privaten Besorgung in der Mittagspause
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- Ein Unfall passiert während einer Tätigkeit, die ohne Erlaubnis des Arbeitgebers durchgeführt wird
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- Ein Mitarbeiter erleidet am Schreibtisch einen Herzinfarkt
Außerdem ersetzt die gesetzliche Unfallversicherung in der Regel keine Sachschäden. Der Fokus liegt eher auf der Gesundheit und der Wiedereingliederung der versicherten Personen.
Der Durchgangsarzt als erster Ansprechpartner
Wenn es sich nicht um einen lebensbedrohlichen Arbeitsunfall handelt, bei dem sofort eine medizinische Behandlung im Krankenhaus notwendig wird, müssen die Betroffenen nach dem Arbeitsunfall einen Durchgangsarzt aufsuchen. Dieser kann den Arbeitsunfall einerseits schnell behandeln und auf der anderen Seite auch dokumentieren. Die freie Arztwahl ist also in diesem Falle eingeschränkt.
Durchgangsärzte sind Fachärzte für Chirurgie, Orthopädie oder Unfallchirurgie. Sie besitzen besondere Qualifikationen und Erfahrungen in der Behandlung von Unfallverletzungen und sind speziell für die Versorgung von Arbeitsunfällen ausgebildet.
Der Durchgangsarzt entscheidet, ob die Heilbehandlung beim Hausarzt fortgeführt werden kann oder ob aufgrund der Art und Schwere der Verletzung eine weiterführende Therapie durch ihn selbst notwendig ist. Dabei arbeitet der Durchgangsarzt eng mit dem behandelnden Hausarzt, Unfallkliniken, Rehabilitationszentren, der zuständigen Unfallversicherung und den Berufshelfern zusammen.
Tipp: Einen Durchgangsarzt in der Nähe finden Sie auf den Seiten der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung.
Wann muss man nach einem Arbeitsunfall zum Arzt?
Nach einem Arbeitsunfall müssen Beschäftigte einen Durchgangsarzt aufsuchen, wenn sie aufgrund des Arbeitsunfalls nicht nur an einem, sondern voraussichtlich auch am folgenden Tag arbeitsunfähig sind oder die Behandlung voraussichtlich länger als eine Woche dauert. Dies ist notwendig, um die Kosten über die gesetzliche Unfallversicherung abzurechnen.
Wie ist der Ablauf nach einem Arbeitsunfall?
Was nach einem Arbeitsunfall in welcher Reihenfolge geschehen muss, ist gesetzlich ebenfalls klar geregelt und beispielsweise auf den Seiten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zu finden.
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- Arztbesuch beim Durchgangsarzt: Nach einem Unfall müssen die Verletzten also den Durchgangsarzt aufsuchen.
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- Meldung des Unfalls: Führt der Arbeitsunfall zu einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Kalendertagen, muss der Arbeitgeber den Unfall bei der zuständigen Berufsgenossenschaft oder der Unfallkasse melden. Dies geschieht mithilfe eines offiziellen Formulars, der sogenannten Unfallanzeige.
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- Prüfung durch den Unfallversicherungsträger: Nach der Meldung prüft der Unfallversicherungsträger, ob alle Voraussetzungen für die Anerkennung als Arbeitsunfall erfüllt sind. Dabei können sowohl die betroffene Person als auch Zeugen des Unfalls befragt werden.
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- Ermittlung des Zusammenhangs: Der Unfallversicherungsträger prüft außerdem, ob der Gesundheitsschaden tatsächlich durch den Arbeitsunfall verursacht wurde. Dazu kann die Krankheitsvorgeschichte der betroffenen Person herangezogen werden. Oft wird auch ein Sachverständigengutachten durch externe Fachärzte eingeholt. Den Versicherten müssen hierbei mindestens drei Gutachter zur Auswahl gestellt werden.
Hinweis: Versicherte können auch selbst qualifizierte Gutachter vorschlagen, die dann vom Unfallversicherungsträger geprüft werden.
- Ermittlung des Zusammenhangs: Der Unfallversicherungsträger prüft außerdem, ob der Gesundheitsschaden tatsächlich durch den Arbeitsunfall verursacht wurde. Dazu kann die Krankheitsvorgeschichte der betroffenen Person herangezogen werden. Oft wird auch ein Sachverständigengutachten durch externe Fachärzte eingeholt. Den Versicherten müssen hierbei mindestens drei Gutachter zur Auswahl gestellt werden.
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- Gutachten und Entscheidungsfindung: Der Unfallversicherungsträger entscheidet schließlich, ob der Unfall als Arbeitsunfall anerkannt wird. Diese Entscheidung wird den Versicherten schriftlich mitgeteilt.
- Widerspruchsmöglichkeit: Sollte die Anerkennung des Arbeitsunfalls abgelehnt werden, haben die Versicherten das Recht, innerhalb eines Monats Widerspruch einzulegen. Wird dieser abgelehnt, besteht die Möglichkeit, vor dem Sozialgericht Klage einzureichen.
Das sind die wichtigsten Pflichten und Meldefristen auf einen Blick
Damit der Unfall tatsächlich als Arbeitsunfall anerkannt wird, müssen sich sowohl der Arbeitgeber als auch der betroffene Versicherte an bestimmte Pflichten halten und die dazugehören Pflichten im Blick behalten.
Das sind die Pflichten des Arbeitnehmers
Nach einem Arbeitsunfall müssen die betroffenen Versicherten den Unfall sofort Ihrem Arbeitgeber melden, damit dieser alles Weitere regeln kann. Sie müssen einen Durchgangsarzt aufsuchen, wenn die Verletzung länger behandelt werden muss oder zu einer Arbeitsunfähigkeit führt. Außerdem sollten Sie aktiv an der Heilung mitwirken, die ärztlichen Anweisungen befolgen und alle wichtigen Informationen zum Unfallhergang wahrheitsgemäß angeben.
Das sind die Pflichten des Arbeitgebers
Nach einem Arbeitsunfall muss der Arbeitgeber den Vorfall umgehend der zuständigen Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse melden, insbesondere wenn die betroffene Person länger als drei Tage arbeitsunfähig ist. Er ist außerdem dafür verantwortlich, dass Erste-Hilfe-Maßnahmen getroffen werden und dafür auch ausgebildete Ersthelfer im Betrieb sind.
Der Arbeitgeber muss der verletzten Person alle erforderlichen Unterlagen zur Unfallmeldung bereitstellen. Zudem ist er verpflichtet, den Unfallhergang proaktiv zu untersuchen und geeignete Maßnahmen zur Unfallvermeidung zu ergreifen, um zukünftige Vorfälle zu verhindern.
Alle wichtigen Fristen auf einen Blick
Ereignis | Frist |
Meldung des Unfalls an Arbeitgeber | Sofort |
Besuch beim Durchgangsarzt | Direkt nach dem Unfall (wenn der Unfall eine Arbeitsunfähigkeit auch am Folgetag nach sich zieht oder eine Behandlung von mindestens einer Woche voraussichtlich nötig wird) |
Meldung an die Berufsgenossenschaft | Innerhalb von 3 Kalendertagen |
Widerspruch gegen die Ablehnung | Innerhalb von 1 Monat nach Bescheid |
Wer zahlt nach einem Arbeitsunfall?
Nach einem Arbeitsunfall übernimmt in der Regel die gesetzliche Unfallversicherung die Kosten für die medizinische Behandlung sowie alle weiteren gesundheitlichen Maßnahmen, die durch den Unfall notwendig werden. Sie zahlt das sogenannte Verletztengeld während einer längeren Arbeitsunfähigkeit ab der 7. Woche, Umschulungs- und Wiedereingliederungsmaßnahmen, eine mögliche behindertengerechte Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder der Wohnung sowie, im schlimmsten Fall, eine Hinterbliebenenrente bei tödlichen Folgen des Unfalls.
Sollte ein Unfall nicht als Arbeitsunfall anerkannt werden, übernimmt stattdessen die Krankenkasse die Behandlungskosten.
Lohnfortzahlung bei einem Arbeitsunfall
Arbeitgeber sind dazu verpflichtet, verletzten oder erkrankten Mitarbeitern nach einem Arbeitsunfall bis zu sechs Wochen das volle Gehalt weiterzuzahlen. Voraussetzung dafür ist, dass die betroffene Person eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt und seit mindestens vier Wochen im Unternehmen beschäftigt ist.
Verletztengeld vs. Krankengeld: das sind die Unterschiede
Das Krankengeld greift dann, wenn die Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber endet. Während die Lohnfortzahlung in den ersten sechs Wochen nach einem Arbeitsunfall das volle Gehalt beträgt, wird danach Verletztengeld von der gesetzlichen Unfallversicherung gezahlt. Das Verletztengeld liegt bei etwa 80 % des Regelgehalts. Im Gegensatz dazu beträgt das Krankengeld der Krankenkasse, wenn es sich nicht um einen anerkannten Arbeitsunfall handelt, nur 70 % des Gehalts.
Wie Sie Arbeitsunfälle vermeiden
Nicht umsonst ist es in den Gesetzen zum Arbeitsschutz klar geregelt, dass Unternehmen notwendige Sicherheitsvorkehrungen treffen müssen.
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- Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG): Regelt die grundlegenden Pflichten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zum Schutz der Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz.
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- Unfallverhütungsvorschriften (UVV): Werden durch die Berufsgenossenschaften erlassen und stellen konkrete Anforderungen an den Arbeitsschutz in den Betrieben.
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- Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG): Definiert die Aufgaben und die Stellung von Betriebsärzten und Fachkräften für Arbeitssicherheit.
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- Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV): Legt die Mindestanforderungen an die Gestaltung von Arbeitsplätzen fest.
Für jeden Betrieb – abhängig von der Größe und auch der Art der Gefahren, die Mitarbeiter im Arbeitsalltag ausgesetzt sind, sollten Sicherheitsmaßnahmen immer individuell angepasst werden. Eine sicherheitstechnische Betreuung lohnt sich daher für die meisten Betriebe, damit Unfälle im betrieblichen Umfeld gar nicht erst entstehen.
Die Rolle der Sicherheitsfachkraft zur Vermeidung von Arbeitsunfällen
Die Sicherheitsfachkraft spielt eine große Rolle bei der Vermeidung von Arbeitsunfällen. Sie ist dafür verantwortlich, Gefährdungen am Arbeitsplatz rechtzeitig zu erkennen und daraus eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen.
Die Sicherheitsfachkraft berät sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer in Fragen der Arbeitssicherheit und führt regelmäßige Sicherheitsunterweisungen durch. Zudem sorgt sie dafür, dass alle gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden. Durch ihre Expertise trägt die Sicherheitsfachkraft maßgeblich dazu bei, ein sicheres Arbeitsumfeld zu schaffen.
Fazit: So reagieren Sie richtig bei einem Arbeitsunfall
Ein Arbeitsunfall lässt sich trotz aller Sicherheitsmaßnahmen nie komplett ausschließen, doch richtiges Handeln im Ernstfall kann sowohl die Betroffenen als auch das Unternehmen vor erheblichen Folgen schützen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten sich der rechtlichen Grundlagen, Pflichten und Meldeverfahren bewusst sein. Mit der Unterstützung von externen Sicherheitsfachkräften, die Gefährdungen erkennen und reduzieren, sowie durch präventive Maßnahmen lässt sich die Anzahl der Arbeitsunfälle erheblich verringern. Ein sicherer Arbeitsplatz erfordert Engagement von allen Beteiligten – gerne stehen wir Ihnen hier auch beratend zur Seite und freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme.
FAQ: Haben Sie noch Fragen zu Arbeitsunfällen?
Was passiert, wenn ein Arbeitsunfall nicht als solcher anerkannt wird?
Sollte der Unfall nicht als Arbeitsunfall anerkannt werden, übernimmt die Krankenkasse die Behandlungskosten. Der betroffene Arbeitnehmer hat zudem die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen.
Welche Kosten übernimmt die gesetzliche Unfallversicherung?
Die gesetzliche Unfallversicherung übernimmt die Kosten für die medizinische Behandlung, Rehabilitationsmaßnahmen, Verletztengeld, Umschulungsmaßnahmen sowie gegebenenfalls eine Rente im Falle von dauerhaften Einschränkungen.
Wer zahlt bei einem Arbeitsunfall?
Bei einem Arbeitsunfall zahlt zunächst der Arbeitgeber das volle Gehalt für bis zu sechs Wochen. Anschließend übernimmt die gesetzliche Unfallversicherung die Kosten für medizinische Behandlungen, Rehabilitation und Verletztengeld.
Wie lange bekommt man volles Gehalt bei einem Arbeitsunfall?
Nach einem Arbeitsunfall zahlt der Arbeitgeber bis zu sechs Wochen lang das volle Gehalt weiter, sofern die Arbeitsunfähigkeit besteht und eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliegt.
Wie viel Geld bekommt man nach einem Arbeitsunfall?
Nach einem Arbeitsunfall erhalten Sie in den ersten sechs Wochen Lohnfortzahlung vom Arbeitgeber. Danach übernimmt die gesetzliche Unfallversicherung und zahlt Verletztengeld in Höhe von etwa 80 % des letzten Nettoverdienstes.